Stellungnahme des Auswärtigen Amts zur Petition der AGMO e.V.

Drucken

Schreiben des zuständigen Ministerialdirektors im Auswärtigen Amt an die Vorsitzende des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestags vom 15.07.2013


Sehr geehrte Frau Vorsitzende,

wie mit Ihrem Schreiben vom 6. Juli20l2 erbeten, nimmt das Auswärtige Amt im
Folgenden nach einem Jahr Stellung zur weiteren Sachbehandlung im Zusammenhang mit
Petition 3- 1 7-05-008-0 1 9939.

Das polnische Bildungsministerium unterstützt weiterhin Schulen in den Siedlungsgebieten
der deutschen Minderheit (DMi), die muttersprachlichen Unterricht anbieten, auf
Grundlage des polnischen Minderheitengesetzes von 2005, Art. 17. Wenn mindestens 7
Schüler (pro Klasse oder KiGa-Gruppe), bzw. Eltern den Bedarf an Deutsch als
Minderheitensprache [DaM (korrekt wäre an dieser Stelle das Kürzel „DaMi“, eig. Anm.)]* anmelden, wird die betreffende Schule oder der betreffende KiGa mit Mitteln des Bildungsministeriums unterstützt.

Gefordert wird über die lokale Selbstverwaltung, die für die Finanzierung von Schulen und
Kindergärten verantwortlich ist (d. h., die Schule beantragt nach Anmeldung der min. 7
Schüler durch die Eltern zusätzliche Mittel über die Gemeinde). Nach Billigung eines
Antrags erhalt die lokale Selbstverwaltung Zuschüsse, die sie dann der Schule zur
Verfügung stellt. Das Bildungsministerium überprüft nicht, ob seine Zuschüsse von den
Gemeinden vollständig für den Unterricht Deutsch als Muttersprache verwendet werden.

Im Schuljahr 2012113 haben polenweit 40.348 Schülerinnen und Schüler Unterricht in
DaM erhalten. DaM wurde an 533 Schulen und Vorschuleinrichtungen unterrichtet. Im Laufe 2012 betrug die Zuwendung des Warschauer Bildungsministeriums dafür ca. PLN 120 Mio. Die DMi moniert allerdings, dass die weit überwiegende Zahl der Schüler in diesen Programmen nur drei Wochenstunden DaM erteilt bekommt und damit nur eine Stunde mehr als bei Deutsch als Fremdsprache unterrichtet würde - dies sei de facto gerade angesichts der häufig fehlenden muttersprachlichen Kompetenz der Kinder für die Stärkung und den Erhalt der sprachlichen und kulturellen Identität der DMi unzureichend. Die DMi fordert daher eine deutliche qualitative Verbesserung auf dem Weg zu echter Bilingualität in den staatlichen Schulen und möchte auch Schulen in eigene Trägerschaft übernehmen. Neben dem staatlichen Schulsystem bestehen Überlegungen, ein Netz eigener Schulen aufzubauen, ähnlich dem Minderheitenschulwesen in anderen europäischen Ländern (2. B. polnische Minderheitenschulen in Litauen).

Der Dachverband der deutschen Minderheit VdG, hat einen Beauftragten für Schulfragen eingestellt und die Organisation für Bildungsfragen, die ,,Deutsche Bildungsgesellschaft", hat ihre Aktivitäten wieder aufgenommen. Am 3 1 .05.13 beschloss der VdG, dass er in Zukunft als Teil seiner satzungsmäßigen Aufgaben die Aktivitäten der DMi-Strukturen im Bildungsbereich koordinieren und selbst Bildungseinrichtungen gründen und führen kann.

In einer am 31.05.13 von der Delegiertenversammlung des VdG verabschiedeten Erklärung bekräftigt der VdG seine Bemühungen im Bildungsbereich mit dem Ziel der weiteren Verbreitung des zweisprachigen Unterrichts auf dem Weg zu einem
deutschsprachigen Schulwesen. Seit Frühjahr 2012ist es unter erleichterten Bedingungen
möglich, bilinguale Schulen zu gründen, da nur noch vier - und nicht mehr alle - Fächer in
der Minderheitensprache angeboten werden müssen. Eines der Kernprobleme ist hier aber
- neben der Entwicklung von Unterrichtsmaterialien - die unzureichende Verfügbarkeit
von Fachlehrern, die auf Deutsch unterrichten können.

Polen hat im Rahmen des maßgeblichen bilateralen Beratungsgremiums, des ,,Runden
Tisches zu Fragen der Förderung der deutschen Minderheit in Polen und polnischstämmigen deutschen Bürger und Polen in Deutschland" eine Überarbeitung der Bildungsstrategie für Deutsch als Muttersprache begonnen. Die entsprechende AG arbeitet jedoch erst seit 17.10.2012; die DMi ist mit den Fortschritten unzufrieden.

Die Übernahme von Schulen in eigene Trägerschaft gestaltet sich z. T. schwierig. Erstes
erfolgreiches Projekt ist der bilinguale Kindergarten und Grundschule des Vereins Pro
Liberis Silesiae in Raszowa/Raschau. Insgesamt handelt es sich bislang nur um einzelne
Schulen im Grundschulbereich, die nicht selten auf Probleme stoßen (2. B. seit 20l2ll3 die
Grundschule in Cosel-Rogau). Lokale (Bildungs-)Behörden und die polnische
Mehrheitsbevölkerung stehen diesen Initiativen nicht unbedingt offen gegenüber; diese
Schulgründungen müssen sorgfältig vorbereitet werden. Generell gibt es Diskrepanzen
zwischen der modernen polnischen Minderheitengesetzgebung und der Umsetzung vor Ort
- das war auch das Ergebnis einer Untersuchung des Europarats zur Umsetzung der Charta
der europäischen Minderheitensprachen in Polen und betrifft neben der deutschen auch
andere Minderheiten.

Die Anstrengungen für die DaM-Lehrerfortbildung im Rahmen des sog. Niwki-Programms
zeigten- auch dank substantieller finanzieller Unterstützung durch die Bundesregierung -
Erfolge: Das Programm des Niwki-Zentrums konnte am 22.05.13 von der Woiwodschaft
Oppeln auf die Woiwodschaft Schlesien ausgeweitet werden. Ebenso steht an der Universität Oppeln die Gründung eines Studienfaches im Bereich Ethnophilologie – mit Bezug zu DaM - bevor.

 

* korrekt wird „Deutsch als Minderheitensprache“ mit „DaMi“ und nicht als „DaM“ abgekürzt. Das Kürzel „DaM“ steht richtigerweise für „Deutsch als Muttersprache“, was inhaltlich eben gerade nicht gleichbedeutend mit „Deutsch als Minderheitensprache“ ist. Zu diesem Thema vergleiche den Artikel der AGMO e.V.: http://www.agmo.de/aktuelles/mitteilungen/111-sprachlos-in-oberschlesien-und-das-geheimins-qminderheitenspracheq

Die gemeinnützige Gesellschaft wurde 1980 als Arbeitsgemeinschaft Menschenrechtsverletzungen in Ostdeutschland (AGMO) gegründet.
Die AGMO e.V. wurde im Jahre 1990 in das Vereinsregister eingetragen.