Historische Nebelschwaden - Die Anfänge der deutschen Volksgruppe in Schlesien

Drucken

Immer wieder wird berechtigterweise über die Geschichte der deutschen Volksgruppe in der (Volks)Republik Polen geschrieben. So sehr die historische Aufarbeitung in Aufsätzen und Artikeln in den unterschiedlichen Presseorganen zu begrüßen ist, so sehr sollten sich die jeweiligen Darstellungen an den historischen Tatsachen orientieren.

DFK Schlesien in Kreisau

An dieser Stelle tritt ein häufiges „meteorologisches“ Phänomen auf, welchem diejenigen Passagen der Geschichte der Deutschen in der (Volks-)Republik Polen zum Opfer fallen, bei denen die AGMO (e.V.) wesentlich mit Rat und Tat den in Entstehung begriffenen bzw. ab 1990 neugegründeten Verbänden geholfen hat: Der Nebel der geschichtlichen Erinnerung.

An der Basis weiß man es häufig besser

Viele DFK-Aktivisten an der Basis der Ortsgruppen des Deutschen Freundschaftskreises (DFK) haben bis heute nichts vergessen und sprechen diesbezüglich deutlich ihre Wertschätzung und Anerkennung aus. In medienwirksam publizierten, weit verbreiteten Darstellungen jedoch, wie etwa dem Film zum 20-jährigen Bestehen des DFK in Schlesien oder in der Festschrift der Sozialkulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien (SKGD Oppeln) zum 20. Gründungsjubiläum und anderen zuletzt erschienenen Artikeln jüngeren Datums so auch in der Zeitschrift „Schlesien heute“ wie die AGMO e.V., die etwa durch ihre Vorarbeit die schnelle, offizielle Registrierung der deutschen Vereinigungen in Schlesien bei polnischen Gerichten überhaupt erst ermöglichte, nicht erwähnt. Um den Nebel zu lichten, haben wir in unserem AGMO-Archiv nachgeschaut und interessante Originaldokumente aus den Jahren 1987 und 1990 gefunden.

Initiativgruppen standen an der Wiege des Deutschen Freundschaftskreises

In einem Bericht aus dem Januar 1987 unter dem Titel „Gibt es Deutsche in der VR Polen?“ schreibt der Autor Andreas Osmenda (Kattowitz): „Seit Anfang der 1980er Jahre entstanden in Schlesien eine Vielzahl von Initiativgruppen (IG), die bestrebt waren, durch Antragsstellung bei den Woiwodschaftsbehörden einen offiziellen Status bei den polnischen Behörden zu erhalten.“ Dem Autor zufolge waren es insbesondere die IG in Roschkau, Odertal, Rybnik, Cosel, Beuthen, Loslau und Kattowitz, welche die sichtbarsten Aktivitäten entfalteten. Die AGMO hat diese Gruppen in vielfacher Weise unterstützt.

Die Söhne der Familie Osmenda

Jedoch konnte in keinem Fall eine Zulassung bei den zuständigen Gerichten erreicht werden. Vielmehr noch wurde den Gruppen jegliche weitere diesbezügliche Betätigung untersagt. Unerschütterlich im Glauben an die Worte der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte aber verlangten die Ostdeutschen von den Behörden der Volksrepublik Polen die Einhaltung der freiwillig eingegangenen internationalen Verpflichtungen. Auf dem Papier verbriefte Rechte waren in der Wirklichkeit des kommunistisch beherrschten Polen nichts wert. Dem Wortlaut des Berichts zufolge wurde die Stimmung unter den Deutschen in Oberschlesien zusehends entschlossener und der Dezember 1985 zu einem Wendepunkt in ihrer Geschichte seit 1945: „Die Leiter der meisten Initiativgruppen haben bei einer gemeinsamen Zusammenkunft im Dez. 85 eine deutsche Gesellschaft unter dem Namen ‚Deutscher Freundschaftskreis in Schlesien‘ ins Leben gerufen.“ Das Ziel war, unter diesem Namen, der aus Überlegungen der AGMO hervorgegangen ist, mit einer einheitlichen Stimme die menschenrechtlichen Forderungen durchzusetzen. Auf die noch ausstehende Bestätigung des Rechts auf die Muttersprache durch die kommunistische Regierung der Volksrepublik Polen wollte kein Deutscher in Schlesien oder Ostpreußen mehr warten.

Der persönliche Mut und die Bereitschaft Nachteile in Kauf zu nehmen waren entscheidend

Seine verbrieften Rechte kann jedoch nur derjenige wahrnehmen, der sich dies auch getraut. So war eine der vordringlichsten Aufgaben der Initiativgruppen den Deutschen in Schlesien die in 40 Jahren der Unterdrückung aufgezwungenen „Angstbarrieren“ zu nehmen: „Die Initiativgruppenleiter versuchen dieses Problem zu lösen, indem sie regelmäßig Treffen der Mitglieder organisieren. Bei dieser Gelegenheit wird die deutsche Sprache gelehrt und es werden deutsche Volkslieder gesungen.“

Man mag es kaum glauben aber es ist wahr, dass man sich schon zu dieser Zeit, ohne jeglichen diplomatischen Schutz durch die Bundesrepublik Deutschland, getraute mehr oder weniger öffentlich aufzutreten: „Eine der wichtigsten Veranstaltungen des Deutschen Freundschaftskreises war ein Treffen der Mitglieder im Ratiborer Kloster am 10. Mai 1986.“

Massive Präsenz der Staatsmacht soll Deutsche einschüchtern

Aber die polnisch-kommunistische Staatsmacht war schon am Ort präsent: „Dieses Treffen konnte jedoch nicht wie geplant durchgeführt werden, weil einerseits die Tür des Klosters, wo zum Auftakt eine Messe abgehalten werden sollte, für die Deutschen verschlossen blieb und andererseits starke Milizeinheiten und die zivilen ‚Wahrer‘ der polnischen Gesetze, die Sicherheitsbeamten, die Wege zum Kloster versperrt haben. Bereits am selben und den folgenden Tagen haben Sicherheitsbeamte bei verschiedenen führenden Mitgliedern des Freundschaftskreises in Schlesien umfangreiche Hausdurchsuchungen, Verhöre, Verhaftungen und Beschlagnahme von Geldmitteln vorgenommen.“

Delegation aus Odertal auf dem Sankt Annaberg im Jahr 1988

Nicht ganz zu Unrecht vermutet der Autor, dass dieser Aktionismus der kommunistischen Staatsmacht dazu diente, weitere Initiativen der 1 Million Deutschen in Schlesien, Pommern sowie Ost- und Westpreußen zur Wahrung der eigenen kulturellen Identität im Keim zu ersticken. Aber hier schätzen Diktatur und deren Handlanger die Stimmung der deutschen Bevölkerung falsch ein. Der DFK in Schlesien wuchs zunehmend an Größe und Bedeutung; ab 1986 wurde ein eigenes Informationsblatt herausgegeben: „Zum Kattowitzer und Oppelner Bereich ist mittlerweile auch der Breslauer, Waldenburger, Stettiner, Danziger und Bromberg hinzugekommen.“

Zudem begann der Sommer 1986 mit einer Umfrage unter den Deutschen in Schlesien. Damit sollte unter anderem die Standardformulierung der polnischen Kommunisten und der polnischen katholischen Kirche widerlegt werden, es gäbe keine Deutschen in Schlesien und der gesamten Volksrepublik Polen.

Zulassungsprozeß – ein mühsamer Weg

Dass es sie gab, wurde eindrucksvoll durch die Reise einer Gruppe von Aktivisten der ersten Stunde aus Gogolin / Oberschlesien nach Warschau unter Beweis gestellt. Am 31.01.1990 machten sie sich im PKW auf den damals noch sehr unbequemen Weg, um an dem Gerichtstermin teilzunehmen, bei dem vor dem Obersten Polnischen Gerichtshof das Urteil über die Zulassung von Organisationen der deutschen Volksgruppe in der im politischen Umbruch befindlichen Republik Polen verkündet werden sollte: „Die Kameraleute richteten Ihre Kamera auf die geöffnete Tür und der Oberste Richter und die beiden Beisitzer traten in den Saal. Es herrschte Totenstille als der Oberste Richter mit der Verlesung des Bescheids begann. Doch bald senkten sich unsere Köpfe, als er bekannt gab, dass unsere Angelegenheit zurück zum Landesgericht nach Oppeln muß und dort nochmals geprüft und dann entschieden werden soll. Es wurden Behauptungen des Oppelner Gerichts vom 24.07.1989 korrigiert aber auch auf die Gefahren einer ‚deutschen Minderheit‘ hingewiesen.“

Die gemeinnützige Gesellschaft wurde 1980 als Arbeitsgemeinschaft Menschenrechtsverletzungen in Ostdeutschland (AGMO) gegründet.
Die AGMO e.V. wurde im Jahre 1990 in das Vereinsregister eingetragen.