Ausgang der Sejmwahlen in der Republik Polen

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Der Vorstand der AGMO e.V. aus Bonn hat sein Bedauern über die geringe Stimmenausbeute der deutschen Volksgruppe in der Republik Polen bei den landesweiten Sejm-Wahlen vom vergangenen Sonntag zum Ausdruck gebracht. Noch bei der Regionalwahl im November 2010 erhielt das „Wahlkomitee der Deutschen Minderheit“ in der Woiwodschaft Oppeln 18 % der Stimmen.

Logo des Wahlkomitees der Deutschen Minderheit

(Quelle:Wahlkomitee Deutsche Minderheit)

Am vergangenen Sonntag waren es im Rahmen der landesweiten Sejmwahl im selben Stimmbezirk nur 8 %. Der Vorsitzende der AGMO e.V., Tobias Körfer, äußerte die Auffassung, dass viele Gründe zu der erheblichen Differenz von 10% geführt haben mögen. Das deutliche Verfehlen des Ziels, mindestens drei deutsche Abgeordnete in die zweite Kammer des polnischen Parlaments zu entsenden, habe jedoch weitaus tiefer liegende Ursachen, als dass das „Wahlkomitee der deutschen Minderheit“ von den Bürgern in erster Linie als regionale politische Kraft wahrgenommen würde und dessen Wahlkampf die Menschen nicht angesprochen habe.

Der vergleichsweise geringe Stimmenanteil, die Abwanderung von Stammwählern zu polnischen Parteien, all das könne aus Sicht der AGMO e.V. zu einem guten Teil auch auf  einen nunmehr signifikant zutage tretenden Mangel an Sprach- und Identitätsbindung innerhalb der deutschen Volksgruppe in der Republik Polen zurückgeführt werden. VdG-Präsident Bernard Gaida sprach diese Fehlentwicklungen, die nicht nur das deutsche Minderheitenschulwesen in der Republik Polen betreffen, in einem wenige Tage vor der Wahl im Wochenblatt aus Oppeln veröffentlichten Gespräch („Erfolg durch Fingerspitzengefühl“) offen und mutig an. Er selber stünde für die Einrichtung „echter deutscher Schulen mit Deutsch als Unterrichtssprache“.

v.l. Ryszard Galla und Norbert Rasch

(Quelle:Wahlkomitee Deutsche Minderheit)

In den seit 1990 möglichen, jedoch bisher nicht eingerichteten durchgehend deutschsprachigen Kindergärten, Grund- und weiterführenden Schulen hätten in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten diejenigen jungen Deutschen heranwachsen und ausgebildet werden können, deren Stimmen bei der Wahl nunmehr gefehlt haben. Der demographische Faktor mache sich aus Altersgründen oder solchen der Abwanderung in die Bundesrepublik Deutschland auch in den Reihen unserer Landsleute östlich von Oder und Neiße bemerkbar. So haben bei den Sejm-Wahlen 2001 in der Woiwodschaft Oppeln noch 42.340 Wähler ihr Kreuz bei der Liste des „Wahlkomitees der deutschen Minderheit“ gemacht. 2011 hingegen sind es nur noch 28.014 Wähler gewesen. In den letzten zehn Jahren hat die deutsche Volksgruppe bei den Sejm-Wahlen somit über 14.000 Stimmen allein im Bezirk Oppeln verloren. Die Tendenz, wie auch deren Ursachen sind leicht erkennbar.

Dazu würde es passen, so Körfer, daß durch das „Wahlkomitee der deutschen Minderheit“ ausschließlich polnischsprachige Wahlkampfmaterialien herausgegeben und Interviews größtenteils in polnischer Sprache geführt würden. Die dadurch sichtbar werdende fehlende Identitätsbindung, die man für einen erfolgreichen Wahlkampf jedoch braucht, erklärt teilweise den Stimmenverlust. Es ist daher zu verstehen, daß unter derartigen Umständen den Wählern – polnischen, denen sich das „Wahlkomitee der deutschen Minderheit“ vermehrt öffnen wollte, wie auch deutschen – nicht nahe gebracht werden konnte, wie dringend notwendig eine starke Vertretung der deutschen Volksgruppe im Warschauer Sejm ist.

Dennoch ruft der Vorstand der AGMO e.V. den VdG und die Verbände in den Strukturen der deutschen Volksgruppe dazu auf, die sich in der Niederlage bietende Chance zu nutzen und entsprechend den unterstützenswerten Zielvorgaben des VdG-Präsidenten Bernard Gaida mit umso stärkerem Nachdruck nun auf die flächendeckende Einrichtung „echter“ deutscher Kindergärten und Grundschulen mit Deutsch als Unterrichtssprache zu drängen. Nicht anders kann langfristig das kulturelle, gesellschaftliche und dementsprechend auch politische Überleben der deutschen Volksgruppe in der Republik Polen gesichert werden, so Körfer für den Vorstand der AGMO e.V. Eine bloß sogenannte, derzeit praktizierte Zweisprachigkeit: Polnisch zu reden und ins Deutsche zu übersetzen, sei eine Sackgasse.

 

Die gemeinnützige Gesellschaft wurde 1980 als Arbeitsgemeinschaft Menschenrechtsverletzungen in Ostdeutschland (AGMO) gegründet.
Die AGMO e.V. wurde im Jahre 1990 in das Vereinsregister eingetragen.