Sprachlos in Oberschlesien - Das Geheimnis "Minderheitensprache"

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Runder Tisch in Oppeln berät hinter verschlossenen Türen

Der „Runde Tisch - Deutsch als Minderheitensprache“ tagte am 13.01.2012 zum zweiten Mal. Dies Mal ging es nicht ausschließlich um die „Minderheitensprache“. Vielmehr wurde die Ausgestaltung eines noch zu schaffenden „Minderheitenschulwesens“ besprochen. Dies und das Bekanntwerden der bemerkenswerten Ergebnisse einer Untersuchung des Europarats zur Anwendung der "Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen" in der Republik Polen, bieten Anlaß genug, sich des Themas „Runder Tisch - Deutsch als Minderheitensprache“ noch einmal intensiver zu widmen.

Schon im Zusammenhang mit der Berichterstattung zur Osaka-Studie (vgl. AGMO-Intern 1/2012) hatte die AGMO e.V. bekannt gemacht, dass es trotz mehrfacher Anfragen an die bundesdeutsche Botschaft in Warschau, das bundesdeutsche Konsulat in Oppeln und andere deutsche Einrichtungen in der Republik Polen nicht möglich war, wenigstens eine schriftliche Mitteilung über die Ergebnisse des sog. „Runden Tischs - Deutsch als Minderheitensprache“, der am 25.08.2011 in Oppeln tagte, zu erhalten. Bei dieser Gesprächsrunde ging es den zugänglichen Informationen zufolge um die Ausarbeitung eines Konzepts für den Unterricht von „Deutsch als Minderheitensprache (DaMi)“. Zuvor war in Radio und Zeitung für die Veranstaltung noch massiv Werbung gemacht worden. Die Begründung der angefragten Einrichtungen klangen zwar unterschiedlich und reichten von der Angabe mangelnder Befugnis zur Weitergabe der Ergebnisse bis hin zur Aussage, das Konzept sei noch nicht ausgereift genug, um an die Öffentlichkeit gebracht zu werden. Allein etwas inhaltlich Konkretes zu den Ergebnissen mitteilen, das wollte bzw. durfte - auf wessen Geheiß auch immer - niemand.

Dabei ist die Sprache das wesentliche Kommunikationsmittel des Menschen. Ohne Sprache kann der Mensch nicht sozial (inter)agieren. Ist es dann sinnvoll über die Sprache einer mehrere hunderttausend Menschen starken (Volks-)Gruppe hinter verschlossenen Türen und unter Ausschluß der interessierten Öffentlichkeit zu verhandeln?

Es geht um ein sehr wichtiges, wenn nicht gar um das zentrale Thema der Volksgruppenarbeit in Oberschlesien. Die deutsche Sprache soll als sog. "Minderheitensprache" bei der "deutschen Minderheit" wieder Einzug erhalten. Sorgfältig abgegrenzt wurde "Deutsch als Minderheitensprache (DaMi)" von "Deutsch als Muttersprache (DaM)". So kommt die Frage auf, aus welchen Gründen und Motivationen heraus nun nicht mehr von der deutschen "Muttersprache" der deutschen Volksgruppe östlich von Oder und Neiße gesprochen wird oder gesprochen werden soll? Leider kann an dieser Stelle nur auf Mutmaßungen und Überlegungen zurückgegriffen werden, die aufgrund des öffentlich zugänglichen Materials möglich waren. Solcherlei Gedanken dürften Lücken aufweisen. Es blieb der AGMO e.V. jedoch keine andere Möglichkeit, da offizielle Auskünfte strikt verweigert wurden.

Für die AGMO e.V. stellt „Deutsch als Minderheitensprache“ (DaMi) den akut am weitesten verbreiteten Sprachstandart der Muttersprache der nationalen Minderheit „deutsche Volksgruppe“ in der Republik Polen dar. Es handelt sich zwar um dieselbe Muttersprache des in der Bundesrepublik Deutschland/Österreich lebenden Teils der deutschen Kulturnation, jedoch nicht um dasselbe (mutter-)sprachliche Niveau. Das niedrigere Niveau resultiert aus dem nicht oder kaum gegebenen familieninternen Spracherwerb und aus den vollständig fehlenden deutschen Kindergärten und Grundschulen für die Kinder der deutschen Volksgruppe in der Republik Polen (vgl. dazu die Ergebnisse der Osaka-Studie, AGMO-Intern 1/2012). Dies unterscheidet der Terminus „Deutsch als Minderheitensprache“ (DaMi) begrifflich von der Muttersprache „Deutsch als Muttersprache“ (DaM), die von Geburt an in der Familie erlernt werden konnte.

Die AGMO e.V. lehnt das Konzept von „Deutsch als Minderheitensprache“ (DaMi), so wie es sich nach den bisher zugänglichen Informationen darstellt, grundsätzlich ab.
Die Ablehnung bezieht sich vor allem darauf, wo "DaMi" nicht nur als sprachdidaktischer Analyse- und Methodenbegriff verwendet wird, sondern als Zielsetzung des Deutschunterrichts verstanden werden kann, die ein Sprachniveau anstrebt, das unter demjenigen liegt, das vorhanden wäre, wenn in der deutschen Volksgruppe ein DaM-Standard vorläge. Dieser Standard jedoch MUSS Ziel eines muttersprachlichen (!) Deutschunterrichts bleiben. Andernfalls kann das von der Deutschen Bundesregierung durch den zuständigen Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Bergner MdB formulierte Ziel einer Identitätsfestigung durch zunehmende Sprachbindung an die deutsche Muttersprache nicht erreicht werden.

Die Verfestigung des sprachlichen Niveaus der deutschen Volksgruppe in der Republik Polen auf einem geringeren Standard als dem, auf welchem sich „Deutsch als Muttersprache“ (DaM) bewegt, könnte zu einer dauerhaften kulturellen und langfristig damit zu einer nicht mehr umkehrbaren (rechtlichen) Abtrennung der deutschen Volksgruppe vom deutschen Staatsvolk führen; dies gilt es zu verhindern, wobei auf ein methodisch an DaMi orientiertes Unterrichtskonzept zurückgegriffen werden kann, im Moment sogar muss, das jedoch nur einen Übergang zu einem DaM-Standard und -Unterricht darstellen darf.

 

Die gemeinnützige Gesellschaft wurde 1980 als Arbeitsgemeinschaft Menschenrechtsverletzungen in Ostdeutschland (AGMO) gegründet.
Die AGMO e.V. wurde im Jahre 1990 in das Vereinsregister eingetragen.