"Deutsche Kinder dauerhaft diskriminiert"

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- Bilinguale Grundschule in Cosel-Rogau in Gefahr  - "Undiplomatisches" aus Oberschlesien -

Unter dem Titel "Deutsche Kinder dauerhaft diskriminiert" ist im "Wochenblatt - Zeitschrift für die Deutschen in Polen" (Nr. 1068) am 21.09.2012 ein Beitrag des Chefredakteurs Till Scholtz-Knobloch erschienen. Richtige, weil deutliche Worte findet er. Diese sind leider nur allzu wahr, wie die AGMO e.V. aus eigener Erfahrung, Gesprächen mit den Menschen an der Basis der deutschen Volksgruppe in der Republik Polen und jahrzehntelanger Arbeit bestätigen kann.

Deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag bis heute weitgehend wirkungslos

Weit über 20 Jahre nach Abschluß des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages muss man sich immer noch über Notwendigkeiten unterhalten, die für unsere deutschen Landsleute überlebenswichtig sind, obwohl sie für eine ethnische bzw. nationale Minderheit im Europa des 21. Jahrhunderts selbstverständlich sein sollten: Kindergärten und Grundschulen, die den Unterricht vollständig in der Muttersprache der jeweiligen Volksgruppe erteilen.

Sympathisch und engagiert für die Deutschen in der Republik Polen - Die AGMO e.V. und ihr Vorstand / v.l.n.r.: Grzimek, Prof. Dr. Dr. h.c. Ebeling, Dipl.-Ing. Oprzondek, Fischer, Körfer

Der Europarat stellt in einem Bericht aus dem Dezember 2011 über die Anwendung der "Europäischen Sprachencharta" in der Republik Polen fest: Hauptverantwortung für die Versorgung deutscher Schulkinder östlich von Oder und Neiße mit deutschem Unterricht trägt der polnische Staat. Die Bundesregierung müsste sich zusammen mit den deutschen Daverbänden in der Republik Polen verstärkt und mit Durchsetzungskraft einbringen, um Änderungen der derzeit herrschenden, menschen- und europarechtlichen Maßstäben Hohn sprechenden Zustände herbeizuführen.

Neue bilinguale Grundschule Angriffen polnischer Nationalisten ausgesetzt

Derzeit sieht sich eine neugegründete bilinguale deutsche "Minderheitengrundschule" in Cosel-Rogau massiven Angriffen ausgesetzt. Der von Deutschen geführte Trägerverein dieser Schule, welche ohne die Umwandlung in eine "Grundschule für die deutsche Minderheit" im neuen Schuljahr aufgrund rückläufiger Schülerzahlen nicht wieder geöffnet hätte, sieht sich konstanten Attacken polnischer Nationalisten ausgesetzt. Diese genießen die Rückendeckung hoher politischer Kreise, wie etwa des Woiwoden von Oppeln. Besonders tut sich hier der einer polnisch-chauvinistischen Splitterpartei (SP) angehörende Patryk Jaki unrühmlich hervor. Man fragt sich, warum sich der Minderheitenbeauftragte der Woiwodschaft Oppeln, Marek Mazurkiewicz, in den letzten Wochen nicht zu Wort meldete. Müsste er nicht tätig werden?

Den im Trägerverein engagierten Deutschen werden durch Henryk Król, dem berüchtigten langjährigen Präsidenten des deutschen Dachverbandes in der Republik Polen (VdG), Knüppel zwischen die Beine geworfen.  Król stellt fahrlässige Falschbehauptungen über Zulassungskriterien einer solchen "Minderheitenschule" auf, offenbar in völliger Unkenntnis der Ziele des Schulträgervereins und der Regelungen des polnischen Minderheitengesetzes. Króls widersinnige Einlassungen wiederum führten mit dazu, dass bei einer Online-Umfrage der Tageszeitung "Gazeta Wyborzca" 70 % von 10.000 Teilnehmern der Aussage zustimmten, dass die deutsche Volksgruppe polnische Kinder diskriminiere [sic!].

Neue Studie der AGMO e.V. zum richtigen Zeitpunkt erschienen

Dazu passend hatte die AGMO e.V. vor zwei Wochen ihre neueste Studie über die 2010 angedrohte Schließung  der einzigen bilingualen Grundschule in der Woiwodschaft Schlesien, in Ratibor-Studen, vorgelegt. Dieser Schule drohte seit ihrer Gründung im Jahr 2005 permanent das, was Nationalisten nun versuchen an der neuen bilingualen Grundschule in Cosel-Rogau durchzuexerzieren.

Die Studie der AGMO e.V. mit dem Titel "Wie ringen Volksgruppen in der EU, um die Umsetzung von Minderheitenrechten?" wird ebenfalls in dem eingangs erwähnten Kommentar, der das grundsätzliche Einverständnis der AGMO e.V. findet, aufgegriffen. Der Autor äußert sich zustimmend zu ihren Aussagen.

Abgekühlt weil undiplomatisch? Verhältnis der AGMO e.V. zur Basis der deutschen Volksgruppe ausgezeichnet.

Die Studie solle bei der Ursachenfindung des zu vergegenwärtigenden Dilemmas als "exemplarisch" betrachtet werden, führt der Verfasser – nicht ohne anzumerken, durch "undiplomatisches Auftreten" der AGMO e.V. sei in letzter Zeit das Verhältnis zwischen AGMO e.V. und "Minderheit" abgekühlt.

Was kann mit "undiplomatisch" und "Minderheit" gemeint sein? Das Verhältnis der AGMO e.V. zur Basis der deutschen Volksgruppe ist ausgezeichnet, wie nicht nur aus dem Interview mit Hubert Beier (AGMO-Intern 5/2012) sondern auch aus zahlreichen Nachrichten, hervorgeht, die uns wöchentlich erreichen:

" Für die Deutschen in Oberschlesien war es auch sehr wichtig zu wissen, dass es mit der AGMO e.V. in Westdeutschland eine Gruppe gab und gibt, der man immer vertrauen konnte. Das war ein starker moralischer Rückhalt. Ihr habt es immer ehrlich mit uns hier gemeint. Ihr habt uns nie instrumentalisiert."

(http://www.agmo.de/aktuelles/mitteilungen/148-agmo-ev-spricht-das-aus-was-die-deutschen-in-oberschlesien-denken-interview-mit-hubert-beier-kreuzburg-os-)

Wesentlich aufgrund "undiplomatischen" Vorgehens der AGMO e.V. konnte vor zwei Jahren die bilinguale Grundschule in Ratibor-Studen gerettet werden. Eines der Hauptprobleme der deutschen Volksgruppe in der Republik Polen – die fehlenden deutschen Vor- und Grundschulen – wurde überhaupt erst durch AGMO-Initiativen thematisiert. Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages musste sich mehrfach mit dem Fehlen deutscher Vor- und Grundschulen für die Kinder der Deutschen in der Republik Polen befassen. Die letzlich erfolgreiche AGMO-Petition aus dem Jahr 2008 ist vor allem deswegen zu einem politischen Erfolg geworden, weil die Angelegenheit klar und eindeutig, also wenig "diplomatisch" vorangetrieben wurde. Die Beschlussempfehlung wurde schlußendlich im Juli 2012 dem Auswärtigen Amt als Material für die deutsch-polnischen Regierungskonsultationen übergeben.

In diesem Sinne verspricht die AGMO e.V. all ihren Mitgliedern und Unterstützern weiterhin "undiplomatisch" zu bleiben und auch in Zukunft kompromißlos an der Seite der Basis der Deutschen in der Republik Polen für die Bedürfnisse dieser Menschen einzutreten.

Die gemeinnützige Gesellschaft wurde 1980 als Arbeitsgemeinschaft Menschenrechtsverletzungen in Ostdeutschland (AGMO) gegründet.
Die AGMO e.V. wurde im Jahre 1990 in das Vereinsregister eingetragen.