Studie

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Studie der AGMO e.V. zum muttersprachlichen Deutschunterricht an Kindergärten und Grundschulen in der Republik Polen

Zu Beginn des Schuljahres 2005/2006 hatte die AGMO e.V. ein Anschreiben mit Fragebogen über die Situation des muttersprachlichen Deutschunterrichtes in den Kindergärten, Vorschulklassen und Grundschulen des jeweiligen Ortes an die Vorstände der Orts- und Kreisverbände des Deutschen Freundschaftskreises (DFK) als Beilage zu AGMO-Intern verandt. Ziel dieser Befragung war die Erfassung der tatsächlichen Unterrichtssituation und ein Vergleich mit den gesetzlichen Bestimmungen und den sich daraus ergebenden Möglichkeiten. Die Förderung der Muttersprache und des muttersprachlichen Deutschunterrichtes von klein an ist der AGMO e.V. seit Jahren eine Herzensangelegenheit.

Vertragliche und gesetzliche Voraussetzungen

Grundlage für eine formal bessere Ausgangslage als noch zu Zeiten der Volksrepublik Polen ist zunächst der deutsch-polnische Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit vom 17.6.1991. Der Vertrag sieht gemäß Artikel 20 Absatz 3 vor, „eigen Bildungseinrichtungen zu gründen und zu unterhalten“ sowie gemäß Artikel 21 Absatz 2 Möglichkeiten für den Unterricht der Muttersprache oder in der Muttersprache (!) in öffentlichen Bildungseinrichtungen (Schulen) zu gewährleisten. Artikel 21 wurde durch die Verordnungen des polnischen Bildungsministeriums vom 24.3.1992 und vom 3.12.2002 umgesetzt. Demnach gibt es folgende Deutschunterrichtsmodelle für (Grund-) Schulen:

  1. Minderheitenschulen mit Deutsch als Unterrichtssprache, d.h. alle Fächer werden in Deutsch unterrichtet, außer Polnisch, Geschichte und Geographie bzw. Gesellschaftskunde in Grundschulen.
  2. Zweisprachige Schulen, in denen die Fächer gleichzeitig in zwei gleichberechtigten Unterrichtssprachen unterrichtet werden, Polnisch und Deutsch.
  3. Deutsch als zusätzlicher muttersprachlicher Sprachunterricht. Dies bedeutet, daß alle Fächer in polnischer Sprache unterrichtet werden. Die Kinder haben allenfalls nur circa 3 Stunden Deutsch als Unterrichtsfach.

Bestandsaufnahme

Um das Recht auf muttersprachlichen Deutschunterricht in Kindergärten, Vorschulklassen und Grundschulen durchzusetzen, mußte zunächst eine Bestandsaufnahme über den jetzigen Zustand des Deutschunterrichts in den Oder-Neiße-Gebieten gemacht werden. Hierzu wurden die DFK-Vorstände auf Orts- und Kreisebene über die Situation des Deutschunterrichts in den Kindergärten und Grundschulen befragt. Fragen zu weiterführenden Schulen wie Gymnasien und Lyzeen wurden ausdrücklich ausgespart. Über 300 Kreis-, Gemeinde- und Ortsverbände des DFK aus Nieder- und Oberschlesien, Pommern, Ost- und Westpreußen haben der AGMO e.V. geantwortet. Die Auswertung der Antworten hat das befürchtete Ergebnis bestätigt. Die versprochenen Minderheitengrundschulen und bilingualen (zweisprachigen) Grundschulen sind nicht vorhanden, bestenfalls gibt es in wenigen Einzelfällen hin und wieder einen zweisprachigen Klassenzug. In den Grundschulen, in denen Deutsch unterrichtet wird, beträgt die Wochenstundenzahl in der Regel ein bis drei, in Ausnahmefällen auch vier Stunden. Der Unterricht wird zumeist dann als „muttersprachlicher Deutschunterricht“ bezeichnet, wenn er einen Umfang von drei bis vier Wochenstunden einnimmt. Dies ist nach Ansicht der AGMO e.V. eine Mogelpackung, ein Etikett ohne den dazugehörigen Inhalt. Deutschunterricht wird in erschreckend wenigen Kindergärten angeboten. Hierzu ist zu bemerken, daß dieser Unterricht eine spielerische Art des Erlernens der Muttersprache darstellt und in der Regel einen Umfang von ein bis zwei Wochenstunden einnimmt. Nur wenige Vorschulklassen bereiten die Kinder auf den Deutschunterricht in der Grundschule in einem geringen Umfang von wenigen Wochenstunden vor.

Drohende Gefahr des Sprachverlustes

Es ist allgemein bekannt, daß Kinder, die in den ersten zehn Jahren nicht mit der Muttersprache aufwachsen, für die Volksgruppe mehr oder weniger „verloren“ sind. Es ist den polnischen politisch einflußreichen Kreisen und Behörden bereits gelungen, große Teile der Jugend der deutschen Volksgruppe von der eigenen Sprache und Kultur zu entfremden. Wenn es nicht bald gelingt, die deutsche Sprache als Muttersprache in den Grundschulen dauerhaft zu etablieren, droht die jahrhundertealte deutsche Kultur in den Oder-Neiße-Gebieten endgültig verloren zu gehen, da die Generation derjenigen Deutschen, die in der Schule Deutsch als Muttersprache lernen durften, in absehbarer Zeit nicht mehr zur Verfügung stehen wird.

Gegenmaßnahmen

Hilfsorganisationen wie die AGMO e.V. sind nicht in der Lage, deutsche Schulen einzurichten, Lehrer einzustellen oder den polnischen Staat von seinem ureigenen staatlichen Bildungsauftrag zu entbinden. In einzelnen Fällen kann die AGMO e.V. aber den (ehrenamtlichen) Deutschunterricht fördern. Einzelmaßnahmen können immer nur punktuell nach einer Veröffentlichung mit Spendenaufruf in AGMO-Intern unterstützt werden. Hauptaufgabe der AGMO e.V. ist jedoch, die Einrichtung von Minderheitengrundschulen, bilingualen Klassenzügen und Grundschulen, Deutschunterricht in Kindergärten und Vorschulklassen einzufordern und die deutsche Volksgruppe bezüglich der Volksgruppen- und Minderheitenrechte zu informieren sowie die Öffentlichkeit auf die bestehenden Mißstände hinzuweisen. Ohne ideelle und materielle Unterstützung seitens der bundesdeutschen Politik und des polnischen Staates geht es nicht!

AGMO e.V. setzt Informationsarbeit fort

Der Anteil der Deutschen ist weitaus größer als allgemein angenommen. Zu den Deutschen gehören nach eigener Ansicht auch solche Landsleute, die ihre Muttersprache nicht sprechen, weil das Erlernen und Benutzen jahrzehntelang unter Strafandrohung verboten war. Um dem drohenden Verlust der Muttersprache entgegenzuwirken, muß jetzt der Deutschunterricht flächendeckend in Kindergärten und Grundschulen eingeführt werden. Die deutsche Volksgruppe benötigt eigene Minderheitengrundschulen mit einem eigenen, selbständig zu verwaltenden Etat. Hoffnung besteht für die Deutschen vor allem in Oberschlesien auf kommunaler Ebene. Wer im Gemeinderat die Mehrheit stellt oder mitwirkt, kann auch über die Gelder der Selbstverwaltung mitbestimmen und Fördermittel sowohl auf staatlicher als auch auf Ebene der Europäischen Union beantragen. Der Vorstand der AGMO e.V. sieht für die Zukunft zahlreiche Aufgaben insbesondere bei der Etablierung der deutschen Muttersprache und Kultur. Hierbei nimmt die Informations- und Dokumentationstätigkeit einen herausragenden Stellenwert ein. Der deutsch-polnische Vertrag und die polnische Bildungsverordnung ebenso wie das polnische Minderheitengesetz lassen der deutschen Volksgruppe einen Spielraum zur Gestaltung, der noch nicht ausgenutzt wird, und der vor allem einer adäquaten finanziellen Grundlage bedarf.

Die AGMO-Studie zum muttersprachlichen Deutschunterricht an Kindergärten und Grundschulen in der Republik Polen wurde im August 2007 gedruckt und an zahlreiche Abgeordnete des Europaparlamentes und des Deutschen Bundestages, an Presseorgane sowie Vorstände der deutschen Vereinigungen in den Oder-Neiße-Gebieten und an interessierte Einzelpersonen versandt. In der Studie wird nach Auswertung von über 200 Antworten der DFK-Verbände festgestellt, daß es von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen keine deutschen Minderheitengrundschulen sowie bilinguale Kindergärten und Grundschulen gibt, obwohl die Wege für den muttersprachlichen Deutschunterricht durch den deutsch-polnischen Vertrag, die polnische Bildungsverordnung sowie das polnische Minderheitengesetz grundsätzlich geebnet worden sind.

Die Studie der AGMO e.V. umfaßt 46 Seiten. Die Ergebnisse der Umfrage sind in Tabellen dargestellt und werden zusätzlich noch einmal zusammengefaßt. Die regionale Zuordnung wird durch Skizzen erleichtert, welche die Verwaltungsbezirke sowie Kreise und erforderlichenfalls Gemeinden darstellen. Über die Situation des Deutschunterrichts hinaus zeigt die Studie auch, daß die Ergebnisse der polnischen Volkszählung aus dem Jahr 2002 nicht stimmen können. Dies hatten neben der deutschen Volksgruppe bereits andere Minderheiten in der Republik Polen angemahnt. Trotzdem haben die fragwürdigen Ergebnisse Einfluß auf die Gewährung von Minderheitenrechten in den Gemeinden gemäß polnischem Minderheitengesetz.

Studie

In der Geschäftsstelle der AGMO e.V. sind Exemplare der Studie für Interessenten auf Anfrage abrufbereit.

Die gemeinnützige Gesellschaft wurde 1980 als Arbeitsgemeinschaft Menschenrechtsverletzungen in Ostdeutschland (AGMO) gegründet.
Die AGMO e.V. wurde im Jahre 1990 in das Vereinsregister eingetragen.