Jetzt erst recht! Ergebnisse der Volkszählung in der Republik Polen veröffentlicht

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- Ansporn zum Weitermachen -

Fast ein Jahr nach Beginn des Zensus in unserem Nachbarland liegen nunmehr die abschließenden Zahlen der Volkszählung 2011 vor. Bei nüchterner Betrachtung sind sie weder überraschend und daher nicht besonders enttäuschend, sondern waren zu erwarten.

Zweifel an Interpretationen der offiziellen Zahlen

Die AGMO e.V. hegt allerdings erhebliche Zweifel an der Interpretation des vorliegenden amtlichen Ergebnisses. Denn offiziellen polnischen Angaben (!) zufolge besuchen allein in den beiden oberschlesischen Bezirken Oppeln und Schlesien (Kattowitz) immerhin 40.000 deutsche Kinder den sogenannten, jedoch unzureichenden, zusätzlichen muttersprachlichen Deutschunterricht. Das Auswärtige Amt vermeldet auf seiner Internetseite, in der Republik Polen lebten rund 300.000 Angehörige der deutschen Volksgruppe.

Kindergarten in Oberschlesien

Die Zahl von 109.000 Deutschen muss kritisch hinterfragt werden. Der Rückgang der Anzahl von Personen, die sich, verglichen mit 2002, im Rahmen der Volkszählung 2011 zu ihrer deutschen Nationalität bekannten, hat viele Ursachen. Gründe hat vor wenigen Wochen u.a. der Europarat benannt. In seinem Bericht über die Anwendung der "Europäischen Sprachencharta" in der Republik Polen ließen die Experten bezüglich der Lage der deutschen Muttersprache kaum einen Punkt aus, den nicht auch die AGMO e.V. in den letzten drei Jahrzehnten immer wieder benannt hätte (http://www.agmo.de/aktuelles/mitteilungen/106-verpflichtungen-wurden-nicht-erfuellt). Wir sehen uns daher auf dem richtigen Weg und nehmen das Ergebnis der Volkszählung als Aufforderung unsere Anstrengungen zu verstärken.

Alternativlos! Echte deutsche Kindergärten und Grundschulen

Grundlegend für eine gedeihliche Entwicklung der deutschen Volksgruppe sind deutsche Vor- und Grundschulen, welche es immer noch nicht gibt. Zu diesen deutschen Bildungseinrichtungen muss es, so der Europarat, nicht nur ungehinderten Zugang geben. Auch beim Umgang der polnischen Gesellschaft mit den Deutschen liegt vieles im Argen. Polnische Politik und Verwaltung sind demnach verpflichtet, aktiv dazu beizutragen, daß die Deutschen, die ihnen zustehenden kulturellen Menschenrechte wahrnehmen können.

Es gibt keine andere Möglichkeit, als durch die flächendeckende Einrichtung von deutschen Vor- und Grundschulen über die Sprachbindung zur Identitätsfestigung zu gelangen. Anders läßt sich die seit 1945 in der Volksrepublik Polen bis heute betriebene Assimilation der heimatverbliebenen Deutschen nicht aufhalten. Der Bundestagsabgeordnete Klaus Brähmig MdB (CDU) fand dazu im September 2011 in einem Gespräch mit der "Oberschlesischen Stimme" deutliche Worte: "Die Integration in die polnische Bevölkerung ist letztendlich wahrscheinlich so gut, dass der Oppelner Woiwode gesagt hat, dass die Deutschen exzellent assimiliert sind, dass heißt also, sein Anliegen ist nicht nur die Integration, sondern quasi die Assimilation, das ist natürlich nicht unser Anliegen."

Sprachkurs in Oberschlesien

Vor fünf Jahren hat die AGMO e.V. eine Studie zur Lage des muttersprachlichen Deutschunterrichts herausgebracht, die die Ergebnisse des Europaratsberichts vorwegnahm. Diese Studie wurde an hunderte Entscheidungsträger in Politik und Gesellschaft versandt. Lange, allzu lange verweigerte man sich den darin enthaltenen Erkenntnissen. Vor einem Jahr noch lehnte der Deutsche Bundestag eine Petition der AGMO e.V. einstimmig ab. Mit dieser Petition führte unser Verein Beschwerde gegen die Verweigerung des Menschenrechts auf die Muttersprache für deutsche Kinder in der Republik Polen. Dank Bundestagspräsident Prof. Dr. Lammert wurde eine erneute Überprüfung angesetzt.

Hinsehen, handeln, Hilfe leisten

Ob Entscheidungsträger hierzulande verstehen und bereit sind nachzuvollziehen, welche Stunde es geschlagen hat? Zum Jahrestag der Ablehnung der AGMO-Petition, im Zusammenhang mit dem Europaratsbericht und der Veröffentlichung der Volkszählungsergebnisse ist noch nicht abzusehen, ob die bundesdeutsche Politik die eigene Rolle überdenkt. Mit der Einschätzung des bundesdeutschen Botschafters, die Lage der "deutschen Minderheit in Polen" sei "ausgezeichnet" und der auf einer vor kurzem stattgefundenen Tagung in Tutzing / Oberbayern von ihm vorgebrachte Einwand, die Volksgruppe solle sich artikulieren, wenn sie etwas verlange, macht man es sich zu einfach. Wie sollen sich Menschen, die nie die Möglichkeit hatten, mit der deutschen Muttersprache aufzuwachsen, artikulieren?

Gerade zum jetzigen Zeitpunkt wäre es angebracht und erforderlich, wenn Berlin sich seiner Schutz- und Obhutspflicht für die Deutschen in der Republik Polen bewußt würde, an Warschau heranträte und auf der Grundlage von Europaratsbericht, AGMO-Petition und Volkszählungsergebnis die Instrumente des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags nach zwei Jahrzehnten endlich zur Anwendung brächte. Bundesdeutsche Passivität und polnische Schaufensterpolitik müssen ein Ende finden. Bundestag und -regierung sollten dem entsprechen, was der Abgeordnete Stephan Meyer MdB (CSU) vor einem halben Jahr so zusammenfasste: "Wir werden natürlich uns [...] als Schutzherren der deutschen Minderheit hier in Polen, aber auch in anderen Ländern, fühlen. Deutschland hat sie nicht vergessen und wird sie auch nicht vergessen, ganz im Gegenteil."

Die Deutschen in der Republik Polen brauchen jetzt unsere konkrete Unterstützung und keine schlauen Hinweise. Die Aktivisten an der Basis des Deutschen Freundschaftskreises, wie ein junger Vorsitzender einer Ortsgruppe aus Oberschlesien, wissen worum es geht: "Das Wichtigste bleibt jedoch, die deutsche Sprache weiterzugeben. Deswegen möchten wir auch 2012 einen Deutschkurs organisieren. Das liegt mir sehr am Herzen, denn die fehlenden deutschen Kindergärten fuhren dazu, dass die nächste Generation der Deutschen als Polen groß wird."

Die Ergebnisse der Volkszählung sollten von uns allen als Ansporn wahrgenommen werden, die gemeinsamen Anstrengungen am Ort zu verstärken und nicht nur durch wohlfeile Worte zu glänzen. Die konkrete, projektbezogene Arbeit mit den Ortsgruppen des Deutschen Freundschaftskreises (DFK), wie sie die AGMO e.V. seit Jahrzehnten pflegt, dürfte dem entsprechen, was Innenminister Dr. Friedrich MdB (CSU) im Sinn hatte, als er sagte: „Der lebendige Dialog mit den in der Heimat verbliebenen Deutschen verleiht der landsmannschaftlichen Arbeit Glaubwürdigkeit.“

Damit wir uns an dieser wichtigen Arbeit weiterhin beteiligen können, bitten wir Sie um verstärkte Unterstützung, indem Sie unsere Informationen weiterverbreiten, und besonders in Form von Spenden - Stichwort: „Projekte 2012“ oder direkt unter : http://www.agmo.de/mithelfen/spenden

Die gemeinnützige Gesellschaft wurde 1980 als Arbeitsgemeinschaft Menschenrechtsverletzungen in Ostdeutschland (AGMO) gegründet.
Die AGMO e.V. wurde im Jahre 1990 in das Vereinsregister eingetragen.